Das Salz der Erde

Das Salz der Erde

Eine Reise mit Sebastiao Salgado

 Decia Films 2014, DVD 16,99€, BlueRay 18,99€


Ich bespreche hier die DVD-Version, so viel vorab. Sie kommt im gängigen Plastik-Etui inclusive Pappschuber. Nettes Detail: im Inneren des Etuis finden sich neben der DVD vier Postkarten mit Salgados Fotos, deren Motiven man im Film wieder begegnet. Man kann sie ansehen, einrahmen, versenden oder einfach in der weißen Banderole belassen, die sie zusammenhält.

Wim Wenders muss nicht näher vorgestellt werden, Teile seines filmischen Werks sind sicher den meisten geläufig. Im Doku-Fach ist er ein Meister und das wird im vorliegenden Fall mehr als deutlich. Juliano Ribeiro Salgado ist der Sohn von Sebastiano Salgado. Er begleitet Wim Wenders bei dessen Annäherung an den Fotografen. Und das ein Stück weit mit eigener Neugier auf den Mann, der sein Vater ist.


Ich war zugegebenermaßen zunächst etwas skeptisch. Einen Fotografen und seine Bilder in einem Film vorzustellen - geht das überhaupt? Sollte es nicht ein Bildband sein, großformatig und schwer in Bütte und mit Goldschnitt? Ein Wälzer für den Coffee-Table, den man gewichtig und mit der nötigen Ehrfurcht zur Hand nimmt, statt dieser billigen Plastikscheibe, die der Player so emotionslos einsaugt als wäre es ein B- oder C-Movie aus irgendeiner Hinterhof-Massenproduktion? Selbst wenn man sich darauf eingelassen hat, wenn man den Datenträger dem Abspielgerät anvertraute und wenn man dann den Film startet glaubt man sich noch in seinem Vor-Urteil bestätigt: die anstrengend näselnde Stimme Wim Wenders´ lässt einen zunächst den Qualitäten professioneller Sprecher nachtrauern. Wenn die beiden Salgados zu Wort kommen ist man ohne ausreichende Sprachkenntnisse auf die Untertitel angewiesen und kann sich nicht auf das Bild konzentrieren. Dann doch lieber ein opulenter Bildband? – Ein klares Nein. Denn der Ärger weicht schnell. Zu gewaltig sind die Bilder, zu unaufgeregt der Vortrag, der in starkem Kontrast zu den Inhalten steht. Und schon nach wenigen weiteren Minuten ist man gefangen in Salgados Arbeit und möchte keine andere Stimme der Welt hören als die einzig authentische des Regisseurs. Alles fügt sich wunderbar zusammen und bildet ein Kunstwerk - der Glücksfall eines Dokumentarfilms.

Zum Inhalt? Was bleibt einem anderes übrig, als ergriffen zu sein von der portraitierten Figur? Salgados Werk gliedert sich in einzelne Kapitel und sie werden der Reihe nach genannt. Man kann von der Schonungslosigkeit, mit der er dabei gegen sich und andere zu Werke geht, fasziniert sein oder abgeschreckt werden - von den Ergebnissen ergriffen sein wird man in jedem Fall. Die Widmung mehrerer Lebensjahre für das Gelingen einer Foto-Reportage, die unendliche Geduld und Zielstrebigkeit, die bei seiner Vorgehensweise zum Ausdruck kommt, das nach außen Rationale beim Abschätzen der Rahmenbedingungen für die Umsetzung und das nach innen fast Mystische, das Salgado seinen Projekten zuspricht - dies alles ist ein Gewinn für jeden Außenstehenden - ob fotografisch ambitioniert oder nicht.

Nicht vorstellbar, dass irgendjemand bei der Betrachtung dieser Werkschau unbeteiligt bleibt. Genauso unvorstellbar, wie ein Mensch all dies in einem einzigen Leben verarbeitet - den Wahnsinn in der Welt, die ganze Bandbreite der Scheußlichkeiten, die Menschen anderen antun und dann die grandiose Schönheit der Welt, die den Gegenpart dazu bildet und den Fotografen am Ende zumindest in Teilen wieder mit der Welt versöhnt und gesunden lässt. Die beeindruckendsten Momente des Films sind die Schnitte der Szenen vom Anbahnen eines Motivs hin zum fertigen Bild. Und das mit Abstand wunderbarste Projekt ist die Aufforstung eines kompletten Regenwaldes durch Salgado und sein Team. Eine grandiose Antwort auf all das Leid und die Zerstörung in der Welt und die Inkarnation des Titels seines wohl schönsten Projektes: Genesis.

Ich empfehle den Film – und sicher auch den Bildband – jedem denkenden Menschen. Der Film sollte in die Schulen kommen - man könnte dafür vielleicht auf eines der gefühlten hundert Reclam-Dramen verzichten, die das Schülerleben mitunter schwer machen.
Was meine Bewertung angeht, kann ich es nicht besser sagen als die Neue Zürcher Zeitung, die in ihrer Besprechung so schön formuliert: „Sechs von fünf möglichen Sternen.“


Für mein eigenes Schreiben und Entwerfen von Geschichten nehme ich von Wim Wenders und Sebastiao Salgado für mich mit, was es heißt, sich einer Berufung zu verschreiben. Mit Haut und Haaren daran zu hängen und sich nicht zufrieden zu geben mit Mittelmaß und Oberflächlichkeit. Davon gibt es schließlich schon genug, Tendenz steigend.



Juliano Salgado (rechts) und Wim Wenders auf dem Filmfest München 2014.

Quelle: Harald Bischoff, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Sebastiao Salgado

Quelle: Fernando Frazão/Agência Brasil, CC BY 3.0 BR, via Wikimedia Commons

Instituto Terra Aymorés

Wiederaufforstung durch die Familie Salgado.

Quelle: Antonio Carlos Lima Barbosa, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons


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